Gemeinsam erinnern: Der Kanadaweg Das Canada Haus

Das Farbfoto zeigt ein Gebäude in der Gutleutstraße in Lahr, etwa aus den 90er Jahren. An der Fassade hängt ein Schild mit der Aufschrift "Der Kanadier".
Bis 1994 hatte die Wochenzeitung "Der Kanadier" ihren Redaktionssitz in der Gutleutstraße in Lahr.
Quelle: Stadtarchiv Lahr
Gutleutstraße 3

„Der Kanadier”, eine zweisprachige Wochenzeitung der kanadischen Streitkräfte in Europa, hatte 1970-1994 seinen Redaktionssitz in Lahr. Im Erdgeschoss des Redaktionsgebäudes befand sich eine Postfiliale, in der Sendungen nach Kanada zu Inlandstarifen aufgegeben werden konnten.

Auf Initiative von Trisha Cornforth und mit viel ehrenamtlichem Engagement wurde nach dem Abzug der Kanadier in diesem Gebäude das Canada Haus als Treffpunkt für Menschen mit einer Verbindung zu Kanada eingerichtet.

Bis zu seiner Schließung im Jahr 2010 konnten hier Bücher ausgeliehen werden, die aus der kanadischen Bibliothek auf dem Flugplatz stammten.

in English / en français

"Der Kanadier” - "The Canadian", a bilingual weekly newspaper of the Canadian Forces in Europe, had its editorial office in Lahr from 1970 to 1994. The Post Office was located on the ground floor of this editorial building where mail to Canada could be posted at domestic rates. On the initiative of Trisha Cornforth and with a great deal of voluntary commitment, a meeting place for people with a connection to Canada was set up in this building after the Canadians had left. Until its closure in 2010, books from the Canadian airbase library could be borrowed here.

«Der Kanadier» - «Le Canadien», hebdomadaire bilingue des forces armées canadiennes en Europe, avait sa rédaction à Lahr de 1970 à 1994. Au rez-de-chaussée du quartier général de la rédaction à Lahr se trouvait un bureau de poste militaire canadien, où les envois vers le Canada pouvaient être postés aux tarifs en vigueur au Canada. À l'initiative de Trisha Cornforth et grâce à de nombreux bénévoles, un lieu de rencontre pour les personnes ayant un lien avec le Canada a été installé dans ce bâtiment après le départ des Canadiens. Jusqu'à sa fermeture en 2010, les livres de la bibliothèque canadienne de la Base pouvaient y être empruntés.

Oral History, Anekdoten und Zeitzeugenberichte

Anekdoten von Kanadiern, Angehörigen und Menschen, die mit ihnen in Berührung kamen

Die Interviews im Jahr 2024 wurden anlässlich des Abzugs der Kanadier aus Lahr vor 30 Jahren von Cornelia Lanz, Amtsleitung für Stadtgeschichte und Archivwesen geführt.

 

„Als die Kanadier sich entschieden abzuziehen, wollten die, die blieben, einen Treffpunkt haben. In dem Haus war die Zeitung „Der Kanadier“ drin. Sie haben das Haus Kanada Haus genannt mit Bücherei und englischen Büchern. Es wurde wöchentlich Bingo gespielt. Zum Canadian Thanksgiving wurde ein Truthahnessen veranstaltet. Es wurden die Truthähne der Amerikaner besorgt. 40-50 Leute haben daran teilgenommen. OB Dietz kam sehr oft. Wir wurden finanziell von der Stadt Lahr unterstützt, um die Miete zu bezahlen. Das Rathaus hat die Hälfte der Miete bezahlt. Zum Schluss, als das Geld knapp wurde (auch weil die Kanadier weg waren, das war ja so), gab es eine große Versammlung und OB Dietz wollte, dass wir das Haus abmelden. Immer waren Kanadier und Deutsche da – auch sonntags. Es gab die Canadian Corner, d. h. Deutsche konnten Englisch lernen, meistens mit kanadischen Frauen. Die Kanadische Zeitung hat über militärische Dinge und auch über lokale Dinge in Englisch und Französisch berichtet auch über kanadische Dinge. Vor allem über militärische Auszeichnungen und über Hockey-Teams. Familie Wille hat mit ihrer Versicherung in der Zeitung inseriert.“,  Heinz Leukert, ehemaliger kanadischer Soldat, später stellvertretender Leiter des kanadischen Liegenschaftsamts, in Lahr stationiert 1973-1994, Interview 2024

„Über eine Freundin, die ich im Schwimmbad traf, hörte ich von dem Jobangebot Werbung, Kleinanzeigen und Rechnungsstelle der Zeitung „Der Kanadier“. Diesen Job füllte ich zwölf Jahre aus. Die Zeitung konnte nicht selbst überleben, sondern wurde vom Militär bezuschusst. Sie erschien wöchentlich.

Inhalt der Zeitung waren Kleinanzeigen von Geschäften aus Lahr und Umgebung, am Anfang auch noch Zigaretten- und Alkoholwerbung aus Kanada. Außerdem kanadische Feste und Veranstaltungen, allsonntägliche Volksläufe, bei denen es Medaillen gab und Nachrichten aus Kanada und später aus Qatar, weil die Kanadier während des Irakkriegs dort stationiert waren.

Ich begleitete meine Chefin bei Veranstaltungen, obwohl sie perfekt deutsch sprach. Auch im Büro hatte ich Kontakt mit dem Militär. Alle waren sehr höflich und zuvorkommend, sie gaben den deutschen Autos immer die Vorfahrt und in der Bank hielten sie Diskretionsabstand. Wir erinnern uns gern an sie und sagen oft: „Wenn sie doch noch da wären“, auch weil sie so zahlungskräftig waren.

Erst war hier im Canada Haus die kanadische Polizei und die Post untergebracht, dann die Zeitung. Bei Abzug der Kanadier zogen ein: Quiltclub, deutscher Briefmarkenclub, Bridgeclub, Speakers‘ Corner, Deutsch-Kanadischer Club, Mediathek mit Literatur und Musik auf englisch und französisch mit vielen Schallplatten. Einmal im Jahr an Thanksgiving gab es im Canada Haus Truthahn, den wir von den Amerikanern aus Heidelberg bekamen.

Es gab auch andere spannende Einrichtungen der Kanadier in Lahr: In der Friedrichstraße gab es beispielsweise eine Heilsarmee. Dort gingen Kanadier und auch Deutsche essen. Später war das auf dem Flugplatz. Ebenso ging ich manchmal ins Kino, aber nicht zu oft, weil dort so viel Popcorn gegessen wurde; den Geruch und das „Geschmatze“ mochte ich nicht… Außerdem hatten die Kanadier auch ein eigenes Reisebüro.“, Ulrike Starr (*1945), Marketing und Rechnungswesen bei der Zeitung „Der Kanadier“, Interview 2024