Gemeinsam erinnern: Der Kanadaweg Supermarkt und Bankfiliale

Das historische Farbfoto zeigt die Fassade und Schaufenster des kanadischen Supermarkts in der Schwarzwaldstraße.
Im "Canex dépanneur" konnten die Militärangehörigen steuerfrei deutsche, aber auch Produkte aus der kanadischen Heimat einkaufen.
Quelle: Stadtarchiv Lahr
Schwarzwaldstraße 6

Für die Zeit ihres Aufenthaltes in Lahr wurden die hier stationierten Kanadier mit einer vollständigen Infrastruktur versorgt, mit eigenen Läden, Kindergärten und Schulen, einem eigenen Reisebüro, Radio- und Fernsehsendern. In diesem Gebäude befanden sich eine Filiale der Banc of Montréal und ein Supermarkt (Canex dépanneur), in dem Militärangehörige steuerfrei einkaufen konnten. Das Sortiment umfasste Lebensmittel (kanadische und deutsche Produkte), Kleidung, Kosmetika, Souvenirs, Genussmittel und kleinere Elektrogeräte, deren Stecker auch in Kanada verwendbar und mit einem Adapter für das deutsche Stromnetz ausgestattet waren.

in English / en français

For the duration of their stay in Lahr, the Canadians stationed here were provided with a complete infrastructure. This building housed a branch of the "Banc of Montréal" and a supermarket (Canex dépanneur) where military personnel could shop tax-free. The assortment included food (Canadian and German products), clothing, cosmetics, souvenirs and small electrical appliances, the plugs of which could also be used in Canada and which were equipped with a converter for the German power outlets.

Les Canadiens stationnés ici ont bénéficié d´une infrastructure complète. Dans ce bâtiment, il y avait une succursale de la «Banque de Montréal» et un supermarché (Canex dépanneur) où les militaires pouvaient faire leurs courses. L'assortiment comprenait de la nourriture (produits canadiens et allemands), des vêtements, des cosmétiques, des souvenirs et du petit électroménager dont les prises étaient également utilisables au Canada et étaient équipés d'un adaptateur pour le réseau électrique allemand.

Oral History, Anekdoten und Zeitzeugenberichte

Anekdoten von Kanadiern, Angehörigen und Menschen, die mit ihnen in Berührung kamen

Die Interviews im Jahr 2024 wurden anlässlich des Abzugs der Kanadier aus Lahr vor 30 Jahren von Cornelia Lanz, Amtsleitung für Stadtgeschichte und Archivwesen geführt.

 

„Meine jetzige Frau Doris und ich haben über der Bank of Montréal gewohnt. Hinten am Gebäude gibt es einen langen Balkon, wo wir uns immer wieder getroffen haben. Auch den Waschsalon haben wir zusammen genutzt. Später hatten wir eine eigene Waschmaschine. Wir sind bis heute glücklich verheiratet, übrigens beide in zweiter Ehe. Meine Frau war davor auch mit einem kanadischen Soldaten und ich mit einer Deutschen verheiratet – irgendwie sind wir uns treu geblieben.“, Kenneth Gardiner (1942), kanadischer Sergeant bei der Artillerie (1971-1978) und ehemaliger Präsident der Kanadischen Legion, Interview 2024

„Hier konnte man nicht laufen, ohne über Kanadier zu stolpern.“, ehemaliger kanadischer Militärangestellter, Interview 2024

„Jedes Land hatte seine eigene Währung. Ein Kanadier kam und wollte, da er Urlaub in Italien plante, Geld in Lire umtauschen. Ich glaube, er wollte 1000 Deutsche Mark mitnehmen. Wir mussten bei der deutschen Bank die ausländische Währung bestellen, ich gab ihm dann den Umtauschzettel und er holte das Geld ab. Es war ein ganzer Stapel. Er schaute das Geld an, sprang hoch und sagte: „Ich bin Millionär!“", französisch-kanadische Zeitzeugin, Interview 2024

„Die Bank of Montréal hatte eigene Schecks, die man nur in den kanadischen Geschäften einlösen konnte.“, französisch-kanadische Zeitzeugin, Interview 2024

„Einkaufen: Ich habe eine deutsche Frau geheiratet. Ab dem Zeitpunkt musste ich ständig Zigaretten und Alkohol für den Schwiegervater kaufen. Mit Kärtchen. Vier Stangen im Monat oder vier Flaschen Alkohol, 3 Liter Bacardi/Asbach waren erlaubt. Deshalb hat man sich immer jemanden gesucht, der nicht raucht, um die ganze Familie zu versorgen.“, ehemaliger kanadischer Militärangestellter, Interview 2024

„Die Deutschen haben sich gern Alkohol kaufen lassen – er war steuerfrei, doch man sollte sich besser nicht erwischen lassen. Wenn zu viel Alkohol im Kofferraum war, wurde er konfisziert. Ich war immer am Limit. Für die Schwester meiner ehemaligen Frau hatte ich immer eine 3-Liter-Flasche steuerfrei, die sie dann umfüllte. Ein Deutscher mit großer Flasche musste immer sagen, es wäre ein Geschenk. Eine Kiste mit 150 g Butter kostete 35 Pfennig. Vor allem haben wir uns auf die Truthahnlieferung aus Kanada gefreut. Alle Kosmetika waren steuerfrei. Es gab einen kleinen Geschenkemarkt.“, ehemaliger kanadischer Militärangestellter, Interview 2024

„Eine rot-weiße Packung enthielt eine Art Milchpulver (Kakaomix). Sie war nach dem GAU in Tschernobyl besonders begehrt. Für Babies gab es Milchpulver, womit die kanadischen Frauen den deutschen Müttern aushalfen.“, Christiane Koch (*1975), Tochter des Curlers und Lahrer Hundezüchters Klaus Koch, Interview 2024

„Ich habe mal in einer Bar einen Cognac spendiert bekommen. Ich kam mit dem vermeintlich großzügigen Herrn ins Gespräch. Nach einer Weile fragte der Spendierende in perfektem deutsch: „Dürfen Sie überhaupt kanadische Zigaretten rauchen?“ Es stellte sich heraus, dass er vom Zoll war.“, französisch-kanadische Zeitzeugin, Interview 2024

„Es gab natürlich auch das große Einkaufszentrum, das war toll, es war eine andere Welt, das kannten wir Lahrer nicht, es gab noch keine „Arena“ und nichts. Der Truthahn, der fehlt halt bis heute! Wenn man schon durchs Gate gefahren ist – die grünen Gebäude, alles einzigartig.“, Sabine Daynard (*1962), Ehefrau von Jim Daynard (*1962), Meisterbombenschütze bei der Royal Canadian Horse Artillery, in Lahr stationiert 1981-1985, 1988-1991, ehemaliger zweimaliger Präsident der Canadian Legion, Interview 2024

„Größenangaben: Zum großen Manöver waren die Männer über ca. sechs Wochen unterwegs, dann war Lahr fast leer. Zuvor gingen sie selbst zum Vesper kaufen. Mein Mann hat beim Metzger 1 kg pro Sorte Wurst bestellt… Er hatte keine Ahnung von Gramm oder Kilogramm. Wir haben die ganze Nacht Brötchen geschmiert und den ganzen Zug versorgt…

Einmal sagte ich meinem Mann: Unser Kind hat 39 Grad Fieber. Er reagierte kaum. Da wusste ich, dass ich die Celsius-Grade in Fahrenheit Grade umrechnen musste und sagte: Er hat 103 Grad Fahrenheit Fieber – erst dann brach Panik aus…“, französisch-kanadische Zeitzeugin, 2024

„Nachtleben: Wir hatten ein Nachtleben, fast wie in einer Großstadt. Auch die Taxiunternehmen haben ein gutes Geschäft damit gemacht. Es gab etliche Pornoclubs mit Striptease… da war immer wahnsinnig viel los. Die „Sennerbar“ neben dem Alten Rathaus, die Gogobar gegenüber diesem Supermarkt und auch die Gasthäuser waren sehr gut besucht.", Kurt Hockenjos (*1953), deutscher Zeitzeuge, Interview 2024

„Skandal um den Verteidigungsminister: Als der Kanadische Verteidigungsminister Robert Coates 1984 hier in Lahr war, wollten die Kanadier ihm einen schönen Abend machen und haben ihn in Lahr zum Essen ausgeführt, danach haben sie ihn zum Trinken verführt im Striplokal Tiffany’s. Er unterhielt sich über eine Stunde mit der stadtbekannten Tänzerin Nicki O‘Neill. Wenige Tage später, auf derselben Reise, unterhielt er sich in London ebenfalls in einem Lokal mit, wie sich später rausstellte, zwei sowjetischen Agentinnen. Er war der kürzeste Minister im Amt. Zudem hat er auch noch vorgeschlagen, die Kanadier aus Lahr abzuziehen, was auf wenig Begeisterung bei den NATO-Partnern stieß.“, Dr. Werner Schönleber: Dissertationsschrift „Auf Wacht am Oberrhein – Die Kanadischen Garnisonen in Söllingen und Lahr und die lokale Bevölkerung 1953-1994“, Hamburg, 2023