Gemeinsam erinnern: Der Kanadaweg Das Canada Haus

Das Farbfoto zeigt ein Gebäude in der Gutleutstraße in Lahr, etwa aus den 90er Jahren. An der Fassade hängt ein Schild mit der Aufschrift "Der Kanadier".
Bis 1994 hatte die Wochenzeitung "Der Kanadier" ihren Redaktionssitz in der Gutleutstraße in Lahr.
Quelle: Stadtarchiv Lahr
Gutleutstraße 3

 „Der Kanadier”, eine zweisprachige Wochenzeitung der kanadischen Streitkräfte in Europa, hatte 1970-1994 seinen Redaktionssitz in Lahr. Im Erdgeschoss des Redaktionsgebäudes befand sich eine Postfiliale, in der Sendungen nach Kanada zu Inlandstarifen aufgegeben werden konnten.
Auf privatet Initiative (vor allem aus der Deutsch-Kanadischen Vereinigung/Freundschaftsclub Lahr) und mit viel ehrenamtlichem Engagement wurde nach dem Abzug der Kanadier in diesem Gebäude das Canada Haus als Treffpunkt für Menschen mit einer Verbindung zu Kanada eingerichtet.
Bis zu seiner Schließung im Jahr 2010 konnten hier Bücher ausgeliehen werden, die aus der kanadischen Bibliothek auf dem Flugplatz stammten.

 

Als die Kanadier 1967 nach Lahr kamen, brachten sie von ihren vorherigen Standorten ein reges Vereinsleben mit. Schon bald entstand unter dem Vorsitz von Oberbürgermeister Philipp Brucker ein formeller deutsch-kanadischer Club – für die breite Bevölkerung allerdings wenig attraktiv. Er löste sich 1970 wieder auf.
Am 5. Mai 1971 wurde schließlich die Deutsch-Kanadische Vereinigung, später bekannt als Deutsch-Kanadischer Freundschaftsclub, gegründet. Zunächst traf man sich in offener Stammtischrunde, ehe der Verein 1973 eingetragen und damit institutionalisiert wurde – auch wegen Haftungsfragen im Rahmen der von ihm organisierten „Deutsch-Kanadischen Freundschaftswoche“. In dieser Zeit entstanden viele sogenannte Mischvereine mit deutsch-kanadischem Profil; zugleich traten zahlreiche Kanadier zumindest zeitweise auch deutschen Vereinen bei.

Nach der Bekanntgabe des kanadischen Abzugs 1992 wuchs die Sorge, dass die über Jahrzehnte gewachsenen Beziehungen abbrechen könnten. Unter der Führung von Jürgen K. A. Kull, Rainer Hildebrandt und Trisha Cornforth – gemeinsam mit vielen anderen aus den Reihen der deutsch-kanadischen Clubs – entstand die Idee eines Canada-Hauses. Vorbild waren die Amerikahäuser an US-Standorten in Deutschland.
Mit Unterstützung der Stadt Lahr und des damaligen Basiskommandanten Corbett wurde das Projekt in der Gutleutstraße 3 umgesetzt – in jenem Gebäude, das seit 1970 die Redaktion der Streitkräftezeitung Der Kanadier, eine Poststelle sowie kleinere Polizei- und Sicherheitsdiensteinrichtungen beherbergt hatte.
Zur Eröffnung wurden eigens zwei Ahornbäume aus Kanada eingeflogen – einer wurde vor dem Haus gepflanzt, der andere fand im Lahrer Stadtpark seinen Platz.
Das Canada-Haus entwickelte sich bald zu einem Anlaufpunkt für die in Lahr verbliebenen Kanadier und bündelte das Vereinsleben: Vorträge über Kanada, Tanzveranstaltungen, offizielle Empfänge, Feiern und vieles mehr fanden hier statt. Ein besonderes Highlight war die Bibliothek mit kanadischer Literatur. Die Schließung des Kanada-Haus

 

Das Haus in der Gutleutstraße 3 war lange Eigentum des Bundes. Dieser verlangte vom Trägerverein eine verhältnismäßig hohe Miete. Erst als das Haus aufgekauft wurde und zu größten Teilen in eine Seniorenresidenz umgewidmet wurde, war die Miete für den Trägerverein mit Zuschüssen der Stadt wieder aufzubringen. In einem deutlich verkleinerten Rahmen ging es zunächst weiter, jedoch verlor der Verein immer mehr Mitglieder und damit Vereinsmittel. Fast 15 Jahre nach Eröffnung musste Haus geschlossen werden. Bis heute erinnert die Plakette an der Hausfassade an das ehemalige Canada-Haus.

Zeitzeugen berichten

Manchmal gab es wirklich amüsante Episoden. Einmal kam jemand auf die Idee, kanadische Soldaten über Weihnachten in deutsche Familien einzuladen, damit sie das Fest einmal auf traditionelle Weise erleben konnten. Wir starteten eine Umfrage – und innerhalb von zwei Wochen hatten wir rund 300 Anfragen von deutschen Familien, die gerne einen kanadischen Soldaten bei sich aufnehmen wollten. Die Begeisterung war riesig! Allerdings gab es auch einige ungewöhnliche Anfragen. Fünf oder sechs Frauen sagten: ‚Mein Mann bringt’s nicht mehr – können Sie vielleicht noch einen Kanadier für mich organisieren?" Wir konnten es kaum glauben! Da wurde uns klar: Das Ganze drohte in eine ganz andere Richtung zu gehen. Also haben wir die Aktion lieber abgeblasen – wir sind ja keine Partnervermittlung!

Über eine Freundin, die ich im Schwimmbad traf, hörte ich von dem Jobangebot Werbung, Kleinanzeigen und Rechnungsstelle der Zeitung „Der Kanadier“. Diesen Job füllte ich zwölf Jahre aus. Die Zeitung konnte nicht selbst überleben, sondern wurde vom Militär bezuschusst. Sie erschien wöchentlich.
Inhalt der Zeitung waren Kleinanzeigen von Geschäften aus Lahr und Umgebung, am Anfang auch noch Zigaretten- und Alkoholwerbung aus Kanada. Außerdem kanadische Feste und Veranstaltungen, allsonntägliche Volksläufe, bei denen es Medaillen gab und Nachrichten aus Kanada und später aus Qatar, weil die Kanadier während des Irakkriegs dort stationiert waren.
Ich begleitete meine Chefin bei Veranstaltungen, obwohl sie perfekt deutsch sprach. Auch im Büro hatte ich Kontakt mit dem Militär.
Alle waren sehr höflich und zuvorkommend, sie gaben den deutschen Autos immer die Vorfahrt und in der Bank hielten sie Diskretionsabstand. Wir erinnern uns gern an sie und sagen oft: „Wenn sie doch noch da wären“, auch weil sie so zahlungskräftig waren.
Erst war im Canada-House die kanadische Polizei und die Post untergebracht, dann die Zeitung. Bei Abzug der Kanadier zogen ein: Quiltclub, deutscher Briefmarkenclub, Bridgeclub, Speakers’ Corner, Deutsch-Kanadischer Club, Mediathek mit Literatur und Musik auf Englisch und Französisch mit vielen Schallplatten. Einmal im Jahr an Thanksgiving gab es im Canada House Truthahn, den wir von den Amerikanern aus Heidelberg bekamen.

Es gab in Kanada die Vereine, und in Lahr gab es das Canada-Haus. Das Gebäude besteht noch heute – inzwischen als Seniorenwohnheim. In seiner Blütezeit war es ein Ort für Begegnungen, Feste und Partys. Einmal war ich noch beim berühmten Haggis-Essen dabei – ein gefüllter Schafsmagen, ähnlich wie der Pfälzer Saumagen, begleitet von den passenden verdauungsfördernden Getränken. Doch schon damals war absehbar, dass das Haus nicht dauerhaft Bestand haben würde. Die Kanadier, die für Leben und Frequenz gesorgt hatten, waren abgezogen. Die wenigen, die geblieben waren, kamen nicht regelmäßig. Auch die Lahrer waren keine eifrigen Besucher. So entwickelte sich das Canada-Haus immer mehr zu einer musealen Stätte – mit Bildbänden, Schriftzeugnissen, Vorträgen oder Aktivitäten wie Quilten, Square Dance oder Line Dance. Letztlich fehlte es aber an Mitgliedern. Viele waren weggezogen, die verbliebenen wurden älter, und es kam kein Nachwuchs nach. Vielleicht waren wir nicht kreativ genug, vielleicht fehlten auch die finanziellen Mittel. Am Ende musste das Haus 2010 schließen.