Gemeinsam erinnern: Der Kanadaweg Der Flugplatz

Aufsicht auf den Flugplatz Lahr. Flugzeuge stehen vor den Hallen des Flugplatzes.
Der Flugplatz Lahr in der 80er Jahren.
Quelle: Stadtarchiv Lahr
Fritz-Rinderspacher-Straße 5

Der Lahrer Flugplatz hat die Entwicklung der Stadt (und insbesondere der Stadtteile Langenwinkel und Hugsweier) entscheidend geprägt. Von 1967 bis 1994 beherbergte er Teile der kanadischen Garnison in Lahr; deshalb ist hier der Ausgangspunkt des „Kanadawegs”, der mit Hinweistafeln im Stadtgebiet und Hintergrundinformationen im Internet auf die kanadische Geschichte der Stadt verweist.

Geschichte des Flugplatzes

Propellerflugzeug auf dem Lahrer Flugplatz, 1917
Deutscher Jagd-Doppeldecker auf dem Flugplatz Lahr, 1917
Quelle: Stadtarchiv Lahr

 Die Wurzeln des Lahrer Flugplatzes reichen bis 1913 zurück, als ein Luftschiffhafen angelegt, aber nie eröffnet wurde. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs nutzten deutsche Piloten das Gelände als Flugplatz für Propellermaschinen. Über Allmannsweier schossen sie ein feindliches Flugzeug ab – an Bord waren kanadische Piloten, die kurz darauf mit militärischen Ehren auf dem Lahrer Bergfriedhof beigesetzt wurden.
In der Zwischenkriegszeit wurde das Areal zivil genutzt: zunächst als Notlandeplatz für die Lufthansa, ab 1934 von den Lahrer Segelfliegern.

Flugplatz beim französischen Flugtag 1960
Flugplatz beim französischen Flugtag 1960
Quelle: Stadtarchiv Lahr

Nach 1946 setzte die französische Luftwaffe die Graspisten für Logistikflüge ein und baute den Platz bald aus. Zwischen 1951 und 1953 entstand eine Betonpiste für Düsenflugzeuge (Base Aérienne 139), 1956 wurde sie auf NATO-Standard verlängert.
Dies führte erstmals zu Protesten in Langenwinkel: Fluglärm und Abgase nahmen stark zu. 1964 beschloss der Bundestag nach langen Debatten die Umsiedlung der betroffenen Bewohner an den Hurster Hof – abgeschlossen war sie erst 1972.
Von 1963 bis 1966 lagerten US-Atombomben in Lahr. Französische F-100 „Super Sabre“-Jets hätten sie im Ernstfall ins Ziel gebracht. Mit dem Austritt Frankreichs aus der NATO-Kommandostruktur verloren die Franzosen diese Rolle – und erlaubten keine fremden Truppen mehr auf ihrem Boden. Davon besonders betroffen waren die Kanadier, die ihre Luftwaffenbasen in Lothringen aufgeben mussten. Nach Verhandlungen tauschten Frankreich und Kanada die Standorte.

Mannschaftstransportwagen M 115 des Royal 22e Regiment (Van Doos)
Mannschaftstransportwagen M 115 des Royal 22e Regiment (Van Doos)
Quelle: Karin Bastien

Im März 1967 trafen die ersten kanadische Soldaten und Flugzeuge aus Marville in Lahr ein, für ein halbes Jahr waren französische und kanadische Soldaten gleichzeitig auf dem Flugplatz tätig. Nachdem alle französischen Soldaten nach Frankreich zurückgekehrt waren, erfolgte am 7. September 1967 die offizielle Übergabe an die Kanadier. Der Flugplatz wurde zu einem zentralen Lebensort: Arbeitsplatz, Tor nach Übersee und Bindeglied zwischen Kanada und Lahr. Mehrmals pro Woche starteten Transport- und Passagierflüge über den Atlantik. Neben Übungen flogen die Staffeln auch Aufklärungsmissionen. Zwischen 1969 und 1970 waren erneut US-Atomwaffen in Lahr stationiert – diesmal für kanadische F-104 „Starfighter“. 1970 kam die 4. Mechanisierte Brigade (4 CMBG) mit Panzern, Haubitzen und Hubschraubern hinzu. Ihre Aufgabe: Reservekräfte für Verteidigung und mögliche Rückeroberung im Falle eines sowjetischen Angriffs deutscher Gebiete, vorallem in Ostbayern. Dies markierte den Beginn der „klassischen Kanadierzeit“.

 

Flugplatzareale nach der Konversion
Flugplatzareale nach der Konversion
Quelle: IGZ

Mit den politischen Umbrüchen der frühen 1990er Jahre und Sparzwängen in Kanada wurde die Basis schließlich 1993 geschlossen. Nach dem Abzug lag das Gelände zunächst brach. Doch bereits Anfang der 1990er Jahre hatte die Stadt Lahr Pläne für eine zivile Nutzung entwickelt. Schritt für Schritt entstand ein modernes Gewerbe- und Logistikzentrum, in dem sich heute internationale Unternehmen wie Zalando, Zehnder, REWE GROUP ebenso finden wie regionale Größen.
Bis heute gilt die Landebahn des ehemaligen Militärflugplatzes als eine der belastbarsten in Europa. Sie könnte selbst schwerste Maschinen aufnehmen. Deshalb wird sie heute von der Lahrer Flugbetriebs GmbH & Co. KG vor allem für privaten und geschäftlichen Flugverkehr genutzt.

 

Zeitzeugen erzählen

QRA Site auf dem Nordareal
QRA Bereich auf dem Lahrer Flugplatz. Die roten Linien zeigen den doppelten Zaun, die grünen Quadrate stehen für die Metallschuppen mit den bewaffneten Flugzeugen
Quelle: Grafik des Kanadischen Militärs/Werner Schönleber

Wir waren drei mal die Woche jeweils für 24 Stunden im Dienst, beginnend gegen acht Uhr morgens. Zwei Flugzeuge standen im sogenannten Quick Reaction Alert (QRA) in ständiger Alarmbereitschaft – mit montierten und scharfen Atomwaffen an Bord. Gemeinsam mit einem Techniker und einem US-Wachsoldaten betrat ich den Sicherheitsbereich rund um das Flugzeug, die sogenannte No-Lone-Zone. Der Techniker schaltete die Stromversorgung ein, ich kontrollierte das Cockpit – alles musste bereit sein, damit ich im Ernstfall nur noch einsteigen und starten musste und sofort starten konnte.

Der QRA-Bereich selbst war streng gesichert: Zwei Reihen Stacheldrahtzäune umgaben das Gelände, dazwischen patrouillierten Wachposten mit Hunden. Es war eine wirklich geschützte Anlage.

Den Rest des Tages verbrachten wir meist ruhig – mit Lernen, Kartenspielen oder Flugsimulator-Training auf dem Stützpunkt. Wenn der Alarm losging, mussten wir innerhalb von 15 Minuten in der Luft sein. Im Grunde bestand mein Dienst nur darin, bereit zu sein – für den Fall, dass während dieser 24 Stunden der Krieg ausbricht.

Ob mir die Atombomben Angst gemacht haben? Nein, eigentlich nicht. Beide Seiten hatten eine ganze Menge davon, aber beide waren klug genug, sie nicht einzusetzen. Ich kam kurz nach dem Einmarsch in die Tschechoslowakei [‚Prager Frühling‘ 1968] nach Deutschland – die Lage war da schon angespannt. Aber als ich dann hier war, hatte sich das wieder beruhigt. Während meiner Zeit gab es keinen größeren Vorfall, der einen Atombombeneinsatz gerechtfertigt hätte.

Unsere Hauptwaffe war die M-109 – eine selbstfahrende Haubitze mit 155 Millimeter Kaliber, also ein Artilleriegeschütz auf Ketten. Im Unterschied zu einem Kampfpanzer [wie beispielsweise dem Leopard], der auch während der Fahrt feuern kann, muss eine Haubitze für den Abschuss stationär stehen.

Der Alltag war stark geprägt von Ausbildung und Instandhaltung. Wenn wir nicht auf Manöver waren, wurde viel gereinigt, geputzt, die Ausrüstung gepflegt. Alles musste stets in bestem Zustand sein. Dazu kamen Paraden und besondere Auftritte zu offiziellen Anlässen. Neben den militärischen Aufgaben gehörten auch einfache Arbeiten dazu, etwa Küchendienst – Kartoffeln schälen, Zwiebeln schneiden und so weiter“

Dann sind wir zum Manöver ausgerückt. Die großen Manöver fanden meist weiter entfernt statt – zum Beispiel in Grafenwöhr oder Munster-Bergen. Dann zogen wir mit der ganzen Einheit, samt Panzern und Fahrzeugen, dorthin. Unsere Einheit war Teil der 4. mechanisierten Brigadegruppe, aber in der Praxis war jedes Bataillon ziemlich für sich. Es gab eine klare Trennung: Die Infanterie waren die Fußsoldaten, die Dragoons waren die Panzertruppe mit Leoparden, und dann gab es noch die Engineers, zuständig für Infrastruktur – also Wege, Brücken und so weiter. Und wir waren eben die Artillerie, zuständig für weitreichendes Feuer auf Zielobjekte.

Der Stolz auf die eigene Einheit war groß. Jeder war stolz, Teil seiner Truppe zu sein – Artillerie, Infanterie oder Panzer –, aber viel Vermischung untereinander gab es nicht. Man blieb bei den eigenen Leuten

Der ehemalige Flugplatz oder Airbase, wie wir ihn nannten – war immer noch da. Grün, leer… und das machte mich traurig. Einmal stand das Tor offen, und ich fuhr mit dem Auto hinein. Ich hatte den Ort noch nie so verlassen gesehen. Die Gebäude standen noch, ihre Nummerierungen waren zu erkennen, aber alles wirkte leblos.

Plötzlich kam ein junger Mann auf mich zu, ein Security-Mitarbeiter: ‚Was machen Sie hier?‘ – ‚Ich wollte es noch einmal sehen‘, antwortete ich. Ich zeigte ihm meine alte Mitarbeiterkarte, und er begleitete mich über das Gelände. Es war wirklich traurig.

Ich glaube, wenn jemand dort gewesen wäre, der viel mit den Kanadiern zu tun hatte – oder dort gearbeitet hatte – hätte er Tränen in den Augen gehabt. Man hat es gespürt: Die Stadt war nach dem Abzug ruhiger. Das war das Erste, was mir auffiel.

Wir hatten hier im Westen ein riesiges Militärgelände. In Ostdeutschland gab es zwar noch größere – Parchim zum Beispiel – aber in Baden-Württemberg war das das größte. Solch ein Areal zog viele Glücksritter an: Leute mit großen Ideen, was man daraus alles machen könnte.

Da war zum Beispiel jemand, der eine Art Freizeitpark à la Walt Disney plante – ganz im Ernst! Ich sagte: ‚Das kann doch gar nicht funktionieren – der Europa-Park ist doch direkt in der Nachbarschaft!‘ Doch die Antwort war: ‚In Florida stehen auch zwei große Parks nebeneinander.‘

Ein anderer wollte Wagenrennen veranstalten. Er erinnerte sich, dass es früher einmal Autorennen in Lahr gegeben hatte – vermutlich Formel 2 – und hat vielleicht den Film Ben Hur mit Charlton Heston angeschaut und gedacht man könne hier Wagenrennen abhalten.

Es gab viele solcher Vorschläge: einen Safari-Park, ein Trainingszentrum für Sicherheitskräfte, Häuserkampf in den alten Gebäuden… Die Ideen reichten von kreativ bis völlig unrealistisch. Manche wollten uns das Gelände gleich abkaufen, mit dem Versprechen: ‚Sie müssen sich um nichts mehr kümmern – wir übernehmen alles, auch die Altlasten.‘ Nur: Sie wollten dafür natürlich einen lächerlich geringen Preis zahlen.